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Was ist Anomaly Detection? Beispiele, Chancen & Risiken auf einen Blick

Benedict Breitenbach

Sun Aug 03 2025

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Inhaltsverzeichnis

  • Wie funktioniert Anomaly Detection?
  • Anwendungsfelder in der Unternehmenspraxis
  • Chancen und Herausforderungen im Einsatz
  • Grenzen von Anomaly Detection
  • Best Practices für den verantwortungsvollen Einsatz

Stell dir vor, du erhältst plötzlich eine SMS von deiner Bank: „Wurde Ihre Kreditkarte gerade in Tokio benutzt?“ – dabei liegst du gemütlich auf dem Sofa in München. In genau solchen Momenten schlägt ein Anomaly Detection-System Alarm. Es erkennt, dass dein typisches Kaufverhalten keine Reisen nach Japan umfasst und bewertet diese Transaktion als potenziell verdächtig. Willkommen in der Welt der Anomaly Detection – der automatisierten Erkennung von Abweichungen in Datenströmen.

Ob beim Aufspüren von Betrugsversuchen, dem Verhindern von Maschinenstillständen oder dem Schutz sensibler Systeme: Anomalieerkennung ist heute ein zentraler Baustein moderner Risikofrüherkennung. In diesem Blogbeitrag tauchen wir ein in die faszinierende Welt der Anomaly Detection – was sie leistet, wie sie funktioniert und warum sie für Unternehmen jeder Branche von entscheidender Bedeutung ist.

Wie funktioniert Anomaly Detection?

Anomaly Detection basiert auf der Analyse von Daten, um Muster zu erkennen und Abweichungen vom erwarteten Verhalten zu identifizieren. Im Kern geht es darum, zwischen „normalen“ und „auffälligen“ Datenpunkten zu unterscheiden – und das möglichst automatisiert, zuverlässig und in Echtzeit. Die Umsetzung erfolgt in der Regel mit Hilfe statistischer Verfahren oder Methoden des maschinellen Lernens, je nach Komplexität und Datenlage.

Grundsätzlich unterscheidet man drei Ansätze:

  • Überwachtes Lernen (Supervised Learning): Hierbei werden Modelle mit historischen Daten trainiert, die bereits als „normal“ oder „anomal“ gekennzeichnet sind. Diese Methode funktioniert gut, wenn ausreichend gelabelte Daten vorhanden sind – etwa bei bekannten Betrugsmustern im Finanzbereich.

  • Unüberwachtes Lernen (Unsupervised Learning): Bei diesem Ansatz wird das System ohne vorgegebene Labels trainiert. Es lernt selbstständig, welche Muster in den Daten üblich sind – und erkennt Abweichungen davon als potenzielle Anomalien. Dieser Ansatz ist besonders geeignet, wenn keine oder nur wenige Beispiele für Anomalien vorliegen.

  • Semi-überwachtes Lernen (Semi-Supervised Learning): Diese Methode nutzt in der Regel nur Daten des „normalen“ Verhaltens zum Training. Anomalien werden als Abweichungen davon erkannt. Sie ist besonders praktisch für Anwendungsfälle, in denen Anomalien selten und schwer zu kategorisieren sind.

Je nach Anwendungsfall kommen unterschiedliche Modelle zum Einsatz – von einfachen statistischen Schwellenwertanalysen bis hin zu komplexen neuronalen Netzwerken wie Autoencodern, die Abweichungen in hochdimensionalen Daten erkennen können.

Anomaly Detection ist also ein mächtiges Tool um schnell auffällige Stellen in großen Datenmengen zu finden. Wie mächtig zeigt auch der Markt für Anomaly Detection.

So prognostiziert das Marktforschungsunternehmen Data Bridge in einer Veröffentlichung von 2021, dass man weltweit erwarten kann, dass der Markt für Anomaly Detection bis zum Jahr 2028 einen Umfang von rund 16.012,82 Millionen US-Dollar erreichen wird. Data Bridge geht in den Jahren 2021 - 2028 von einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 21,5% aus.

Den grössten Zuwachs gab es dabei in diesen Regionen:

Markt Anteil der Anomaly Detection

Anwendungsfelder in der Unternehmenspraxis

Die Einsatzbereiche sind vielfältig und branchenspezifisch. Einige typische Beispiele:

  • Finanzwesen:

    • Aufdeckung verdächtiger Transaktionen

    • Erkennung von Kreditkartenbetrug oder Geldwäsche

  • Industrie & Produktion:

    • Analyse von Sensordaten zur Zustandsüberwachung

    • Früherkennung von Maschinenfehlern oder Wartungsbedarf

  • IT & Cybersecurity:

    • Erkennung untypischer Zugriffsmuster

    • Schutz vor Datenlecks oder Angriffen im Netzwerk

  • Versicherungen:

    • Identifikation auffälliger Schadensmeldungen

    • Vermeidung von Betrugsfällen

  • Einzelhandel & E-Commerce:

    • Auffällige Kaufverhalten oder Rückgabe-Missbrauch

    • Ungewöhnliche Bewertungsspitzen bei Produkten

Beachtet werden muss, dass solche Systeme Zugriff auf teilweise sehr persönliche Daten brauchen, um zu erkennen, was "normal" ist.

Chancen und Herausforderungen im Einsatz

Vorteile:

  • Früherkennung von Risiken:
    Abweichungen werden in Echtzeit erkannt – das reduziert Ausfallzeiten, Betrugsschäden oder Sicherheitslücken.

  • Skalierbarkeit:
    KI-gestützte Verfahren analysieren auch sehr grosse Datenmengen automatisiert und kontinuierlich.

  • Effizienzgewinn:
    Routinekontrollen lassen sich automatisieren, sodass Ressourcen für echte Problemfälle frei werden.

  • Bessere Entscheidungsgrundlagen:
    Datenbasierte Anomalieanalysen unterstützen bei strategischen und operativen Entscheidungen.

Herausforderungen:

  • Hohe Fehlalarmrate:
    Unpräzise Modelle oder unzureichend aufbereitete Daten führen schnell zu unnötigen Warnungen.

  • Erklärbarkeit:
    Viele ML-Modelle gelten als „Black Box“. Warum genau etwas als Anomalie gilt, ist oft schwer nachvollziehbar.

  • Datenabhängigkeit:
    Die Qualität der Erkennung steht und fällt mit der Qualität der verfügbaren Daten – Verzerrungen oder Lücken können die Ergebnisse stark beeinflussen.

  • Anpassungsaufwand:
    Unterschiedliche Prozesse erfordern individuell abgestimmte Modelle und Schwellenwerte.

Grenzen von Anomaly Detection

Ein konkreter Fall, der für internationale Aufmerksamkeit sorgte, betrifft den Einsatz von Anomaly Detection in Gesichtserkennungssystemen für Überwachung und Zugangskontrolle. In mehreren dokumentierten Fällen, unter anderem in den USA und Grossbritannien, wurden Systeme eingesetzt, um „auffälliges Verhalten“ auf Basis von Gesichtsmerkmalen oder Bewegungsmustern zu erkennen – zum Beispiel an Flughäfen, Bahnhöfen oder in Einkaufszentren. mehr zu diesen Fällen

Der kritische Punkt:

  • Die Algorithmen wurden mit Bilddaten trainiert, die überwiegend von Personen europäischer Herkunft stammten.

  • Dadurch wurde das normale Verhalten und Aussehen anderer Gruppen – etwa People of Color – fälschlich als „abweichend“ markiert, also als Anomalie.

  • Infolgedessen kam es zu häufigeren Fehlalarmen und ungerechtfertigter Kontrolle gegenüber bestimmten Bevölkerungsgruppen.

Warum das ethisch brisant ist:

Anders als bei Transaktionen oder Maschinendaten steht hier der Mensch als Objekt der Analyse im Mittelpunkt – und fehlerhafte Klassifikationen haben unmittelbare soziale Konsequenzen: Stigmatisierung, Diskriminierung und Vertrauensverlust.

Wichtig bleibt also: Die Wahl und Zusammensetzung der Trainingsdaten entscheidet darüber, wen oder was ein Modell als „normal“ und wen als „auffällig“ betrachtet.

Best Practices für den verantwortungsvollen Einsatz

Das zuvor beschriebene Beispiel unterstreicht eindrücklich, wie wichtig ein verantwortungsvoller Umgang mit dieser Technologie ist. Damit Anomaly Detection in der Praxis nicht nur technisch funktioniert, sondern auch vertrauenswürdig und fair eingesetzt wird, sollten Unternehmen diese folgenden sechs Best Practices konsequent berücksichtigen:

  • Datenqualität sicherstellen
    Nur aus sauberen, vollständigen und relevanten Daten lassen sich sinnvolle Anomalien ableiten. Rohdaten sollten regelmässig überprüft, bereinigt und mit dem jeweiligen Fachkontext abgeglichen werden.

  • Transparenz und Nachvollziehbarkeit schaffen
    Entscheidungen auf Basis von Algorithmen müssen erklärbar sein – intern wie extern. Modelle sollten dokumentiert, Schwellenwerte begründet und Ausnahmen nachvollziehbar sein (z. B. durch Explainable AI-Methoden).

  • Domänenwissen einbeziehen
    Technische Teams sollten eng mit Fachabteilungen zusammenarbeiten, um zwischen harmlosen Abweichungen und echten Risiken unterscheiden zu können. Die Interpretation von Anomalien erfordert Kontext.

  • Fehlalarme ernst nehmen
    Jedes gute System produziert auch falsch-positive Treffer. Diese sollten nicht ignoriert, sondern analysiert werden – oft lassen sich daraus wichtige Erkenntnisse für Modelloptimierung und Datenstruktur gewinnen.

  • Kontinuierliches Monitoring etablieren
    Daten verändern sich, ebenso wie Prozesse und Geschäftsmodelle. Anomaly Detection sollte kein einmaliges Projekt sein, sondern ein fortlaufender Prozess mit regelmässiger Modellpflege und Erfolgskontrolle.

  • Ethische Leitlinien definieren
    Besonders bei personenbezogenen Daten ist eine klare Governance wichtig. Wer als „auffällig“ markiert wird, sollte nicht automatisch sanktioniert werden – menschliche Prüfung und Verantwortlichkeit müssen gewährleistet bleiben.


Anomaly Detection ist kein Selbstzweck, sondern ein strategisches Werkzeug – wenn es dort eingesetzt wird, wo Abweichungen wirklich zählen. Ein guter Anfangspunkt ist die Frage: Wo in unserem Unternehmen entstehen täglich grosse Datenmengen – und welche ungewöhnlichen Muster würden uns dort ernsthaft schaden oder helfen?

Wer solche Stellen identifiziert, schafft die Grundlage für sinnvolle Anwendungsfälle. Ob im Finanzbereich, in der Produktion oder in der IT – überall dort, wo Fehler unbemerkt teuer werden, lohnt sich ein zweiter Blick auf die eigenen Daten. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, die Potenziale zu prüfen – und Anomalien in Erkenntnisse zu verwandeln.

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