
Was ist ein ERP-Archiv? Funktionen, Vorteile und rechtliche Vorgaben erklärt
Benedict Breitenbach
Tue Jul 08 2025

Inhaltsverzeichnis
Eine Buchhalterin sucht eine Eingangsrechnung aus dem Jahr 2020. Der Lieferant fordert eine Nachzahlung, das Finanzamt bittet um Belege – doch im Archiv ist das Dokument nicht mehr auffindbar. Zwei Stunden später, nach einer mühsamen Suche durch alte E-Mail-Anhänge, Netzlaufwerke und manuell geführte Ordner, ist klar: Die Rechnung wurde nie sauber archiviert.
Laut einer Studie des Beratungsunternehmens McKinsey aus dem Jahr 2023 verbringen Mitarbeitende im Schnitt 1,8 Stunden pro Arbeitstag damit, internes Wissen & Informationen zu suchen und zusammenzustellen. Das entspricht etwa einem ganzen Arbeitstag pro Woche, der allein mit Recherche statt produktiver Arbeit gefüllt ist.
Weitere Untersuchungen von IDC bestätigen, dass bei Wissensarbeitern bis zu 2,5 Stunden täglich verloren gehen – also rund 30 % der Arbeitszeit – weil Informationen nicht effizient zugänglich sind.
Hochgerechnet auf hunderte oder tausende Vorgänge im Jahr ergibt sich daraus ein erhebliches Zeit- und Kostendefizit – ganz unabhängig von dokumentenspezifischen Zahlen.
Ein ERP-Archiv sorgt dafür, dass das nicht passiert. Es speichert Dokumente und Daten aus dem ERP-System effizient zugänglich, gesetzeskonform und revisionssicher – egal, wie alt sie sind.
Was ist ein ERP-Archiv?
Der Begriff ERP-Archiv setzt sich aus zwei Komponenten zusammen:
ERP steht für Enterprise Resource Planning, also die Planung und Steuerung unternehmerischer Ressourcen – von Material und Personal bis zu Finanzen und IT.
Ein Archiv wiederum ist eine strukturierte, langfristige Ablage für Informationen und Dokumente, die nicht mehr im Tagesgeschäft benötigt werden, aber aufbewahrungspflichtig oder nachweispflichtig sind.
Ein ERP-Archiv ist also eine Archivlösung, die Daten aus den im jeweiligen Betrieb genutzten Arbeitsprogrammen sammelt und kontrolliert ablegt. Entscheidender Faktor ist hier, dass diese Daten schnell wiederauffindbar, gesetzeskonform und revisionssicher (im Nachhinein nicht veränderbar) gespeichert werden - und das Jahre lang. Quelle
Die Programme, aus denen das ERP-Archiv seine Daten bezieht – etwa von SAP, Microsoft & Co. – werden als ERP-Systeme bezeichnet.
Woraus besteht ein ERP-Archiv?
Ein typisches ERP-Archiv setzt sich aus drei zentralen Komponenten zusammen:
ERP-System
Das operative System, aus dem die archivierten Daten stammen. Hier werden Rechnungen geschrieben, Aufträge verwaltet, Lagerbewegungen gebucht usw.Archivsystem
Eine spezialisierte Software oder Plattform, die Daten revisionssicher speichert.Schnittstelle / Integration
Eine technische Verbindung zwischen ERP-System und Archiv. Sie sorgt dafür, dass Dokumente automatisiert und regelbasiert archiviert werden – z. B. sobald eine Rechnung gebucht oder ein Auftrag abgeschlossen wurde.

Und was genau wird dort archiviert?
Je nach Branche und Bedarf werden im ERP-Archiv u. a. folgende Inhalte abgelegt:
1. Eingangs- und Ausgangsrechnungen
2. Bestellungen und Lieferscheine
3. Buchungsbelege und Journale
4. Kunden- und Lieferantendaten
5. Verträge, Gutschriften, Mahnungen
6. Produktionsprotokolle oder Lagerbewegungen
Wieso ERP-Archiv?
Wieso allerdings müssen und sollten Dokumente überhaupt in einem ERP Archiv gespeichert werden. Wieso nicht einfach in einem Ordner auf dem System ablegen?
1. Gesetzliche Anforderungen
Sowohl in der EU als auch in der Schweiz gelten verbindliche gesetzliche Vorgaben zur Archivierung geschäftsrelevanter Daten. Unternehmen sind verpflichtet, elektronische Dokumente und Belege ordnungsgemäß, revisionssicher und datenschutzkonform aufzubewahren.

Ein ERP-Archiv hilft dabei die Fristen und Regelungen gemäss der Verordnungen einzuhalten und immer einen Überblick zu behalten.
2. Technische Gründe: Performance & Ordnung
ERP-Systeme sind nicht für die dauerhafte Speicherung großer Datenmengen ausgelegt. Alte Belege, abgeschlossene Vorgänge und historische Transaktionen belasten:
Datenbank-Performance: Je größer die Datenbank, desto langsamer werden Abfragen
Systemwartung: Backups dauern länger, Datenmigrationen werden komplexer
Übersichtlichkeit: Mitarbeitende verlieren den Überblick zwischen alten und aktuellen Vorgängen
Ein ERP-Archiv entlastet das aktive System, indem es Daten auslagert, aber weiterhin verfügbar hält – ohne das ERP ausbremsen zu müssen.
3. Organisationale Sicherheit
Fehlende oder unsaubere Archivierung kann zu echten Risiken führen:
1. Steuerprüfungen ohne vollständige Belege
2. Vertragsstreitigkeiten ohne nachweisbare Kommunikation
3. Kundenanfragen, die nicht mehr belegbar beantwortet werden können
Ein durchdachtes ERP-Archiv schützt also nicht nur vor rechtlichen Problemen, sondern auch vor Datenverlust, Reputationsschäden und unnötigem Aufwand.
Wie funktioniert ein ERP-Archiv?
Ein ERP-Archiv ist technisch gesehen eine Schnittstelle zwischen ERP-System und Archivierungslösung, die dafür sorgt, dass geschäftsrelevante Daten automatisiert gespeichert werden.
1. Anbindung an das ERP-System
Die Anbindung erfolgt meist über standardspezifische Schnittstellen – z. B. über APIs, Webservices oder spezialisierte Konnektoren je nach ERP-Hersteller. Diese Verbindung erlaubt es, archivierungspflichtige Daten wie Rechnungen, Buchungsbelege oder Lieferscheine direkt aus dem ERP-System an das Archiv zu übertragen – entweder zeitgesteuert oder ereignisgesteuert, z. B. nach einer Buchung oder Freigabe.
2. Strukturierung der Daten im Archiv
Im Archiv selbst werden die Inhalte nicht einfach abgelegt, sondern nach festen Kriterien wie Belegtyp, Datum, Buchungskreis oder Dokumenten-ID indexiert. Diese Metadaten ermöglichen eine spätere zielgerichtete Recherche, auch wenn die ursprüngliche ERP-Struktur nicht mehr verfügbar ist – etwa nach einem Systemwechsel.
3. Technische Umsetzung der Revisionssicherheit
Die Revisionssicherheit – zentrale Anforderung für jede Archivierungslösung – wird durch folgende technische Mechanismen gewährleistet:
Unveränderbare Speicherung der Dokumente, z. B. über WORM-Datenträger, digitale Signaturen oder zertifizierte Speicherverfahren
Protokollierung aller Zugriffe und Archivierungsprozesse (Audit-Trail)
Zugriffssteuerung nach Nutzerrollen und klar definierte Berechtigungskonzepte
Optional: Zeitstempelung und Versionssicherung, um jede Änderung nachvollziehbar zu machen
Eine durchdachte Archivführung ist kein optionales Extra, sondern eine unternehmerische Notwendigkeit. Wer heute strukturiert vorsorgt, vermeidet morgen unangenehme Konsequenzen – von Nachweislücken bis zu teuren Strafen.
