
Open vs. Closed Innovation: Welche Strategie passt zu Ihrem Unternehmen?
Benedict Breitenbach
Wed Jun 25 2025

Inhaltsverzeichnis
Stellen Sie sich vor, Sie möchten ein neues Rezept für einen Kuchen entwickeln. Sie könnten sich in ihre Küche zurückziehen, verschiedene Zutaten ausprobieren und das Rezept ganz alleine perfektionieren – ohne jemanden einzuweihen. Oder Sie fragen Freundinnen und Freunde, was Sie an Kuchen mögen, teilen erste Entwürfe in sozialen Netzwerken und verwerten die Kritik, um zu optimieren.
Beide Wege führen vielleicht zu einem leckeren Ergebnis – doch Sie unterscheiden sich grundlegend in der Herangehensweise. Genau darum geht es auch in der Welt der Innovation: Unternehmen stehen heute vor der Wahl, ob Sie ihre Innovationsprozesse möglichst offen gestalten – im Austausch mit Kund:innen, Partnern und externen Expert:innen – oder ob Sie lieber alles intern entwickeln und kontrollieren.
Was bedeutet Innovation heute?
Innovationen entstehen heute unter veränderten Rahmenbedingungen. Digitalisierung, vernetzte Märkte und kürzere Entwicklungszyklen führen dazu, dass Unternehmen ihre Innovationsstrategien regelmässig überprüfen.
Die Europäische Kommission beschreibt Innovation als:
_„die Umsetzung neuer oder deutlich verbesserter Produkte, Dienstleistungen oder Prozesse, die wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Mehrwert schaffen.“
Europäische Kommission 2014/24/EU Artikel 2 Absatz 22: Was ist Innovation?
Open vs. Closed Innovation
Der Begriff Closed Innovation beschreibt einen Ansatz, bei dem neue Ideen, Produkte oder Verfahren ausschliesslich innerhalb eines Unternehmens entwickelt werden. Die Innovationsarbeit findet weitgehend abgeschottet statt – etwa in internen Forschungsabteilungen oder durch eigene Patente. Ziel ist es, Wissen und Wettbewerbsvorteile zu schützen und vollständig zu kontrollieren.
Dem gegenüber steht das Konzept der Open Innovation, das von Henry Chesbrough Anfang der 2000er Jahre geprägt wurde. Er beschreibt Open Innovation als die bewusste Nutzung von externem Wissen, Ideen und Technologien zur Ergänzung interner Entwicklungsprozesse. Innovationsprozesse werden damit geöffnet – zum Beispiel durch Kooperationen mit Universitäten, Start-ups, Kund:innen oder anderen Unternehmen.
In der Praxis zeigt sich zunehmend, dass viele Unternehmen Elemente beider Ansätze kombinieren oder je nach Projekt, Strategien anpassen.
Defizite im Bereich Innovation
Trotz erfolgreicher Innovationsprozesse kommt es immer wieder zu Unklarheiten hinsichtlich Patentrechten und der Gewinnbeteiligung. Gerade in Zeiten zunehmenden Innovationsdrucks – ausgelöst durch Herausforderungen wie die Energiewende, Mobilitätswende und steigende Anforderungen an Nachhaltigkeit – gewinnt dieses Thema an Brisanz wie selten zuvor. Hinzu kommt, dass moderne Technologien wie Cloud-Lösungen die Zusammenarbeit im Sinne von Open Innovation zunehmend vereinfachen.
Nur 22% aller Unternehmen in Europa haben eine strukturierte Innovation-Governance EUIPO Observatory Activity Report 2019
Durch eine schlechte Planung in diesem Bereich können einige Probleme in der Regelung mit dem Besitz an einem bestimmten Produkt/ Projekt entstehen. Entscheidender Faktor sind in diesem Fall die Rechte am geistigen Eigentum, auch IP- Rechte genannt.

Diese Rechte am geistigen Eigentum einer Person sind nicht unantastbar. In beinahe jedem Arbeitsvertrag in der Forschungsabteilung eines Unternehmens treten die Arbeitnehmer und Forscher ihre Rechte am geistigen Eigentum ab. your.eu.law
Strategien im Vergleich – Chancen und Risiken
In beiden Fällen bieten die Strategien spezifische Vorteile. In der folgenden Tabelle sind die beiden Ansätze anhand einiger Strategien gegenübergestellt.
Kriterium | Closed Innovation | Open Innovation |
---|---|---|
Wissensquelle | Internes Know-how, eigene F&E | Kombination aus internem und externem Wissen |
Kontrolle über IP (Intellectual Property) | Hoch – geistiges Eigentum bleibt im Unternehmen | Eher gering – mit klaren Regelungen potentiell hoch |
Innovationsgeschwindigkeit | Tendenziell langsamer – längere Entwicklungszeiten | Potenziell schneller – durch externe Impulse oder Zukauf von Ideen |
Kostenstruktur | Hohe Eigeninvestitionen in Forschung und Entwicklung | Verlagerung von Aufwand durch Partnerschaften oder externe Beiträge |
Risikoverteilung | Risiko liegt komplett beim Unternehmen | Geteiltes Risiko durch Kollaboration |
Kultur und Mindset | Geheimhaltung, Sicherheitsdenken, Schutz vor Wissensverlust | Offenheit, Austausch, Vertrauen und Netzwerkkultur |
Beispielhafte Einsatzfelder | Hochsensible Technologien, Pharma, Verteidigung | Konsumgüter, Software, digitale Plattformen |
Anwendungsbeispiele aus der Praxis
Open Innovation bei LEGO
LEGO war Anfang der 2000er Jahre in einer wirtschaftlich schwierigen Lage. Mit der Plattform LEGO Ideas schuf das Unternehmen eine Möglichkeit für Fans weltweit, eigene Bausatzideen einzureichen. Die besten Vorschläge – bewertet durch die Community – werden heute regelmässig in den Produktkatalog übernommen. LEGO profitiert so von der Kreativität seiner Nutzer:innen und stärkt gleichzeitig die Kundenbindung.
Der offene Innovationsansatz hat sich als echter Wettbewerbsvorteil erwiesen: Er bringt frische Impulse, reduziert das Risiko am Markt vorbei zu entwickeln und fördert ein starkes Markenengagement. hier mehr zur LEGO Strategie
Closed Innovation bei Apple
Apple verfolgt traditionell einen stark geschlossenen Innovationsansatz. Forschung, Design, Softwareentwicklung und Produktherstellung liegen weitgehend in der Hand des Unternehmens. Neue Produkte werden intern geheim entwickelt – oft über Jahre hinweg – bevor sie auf den Markt kommen.
Diese Strategie ermöglicht Apple maximale Kontrolle über Qualität, Markteinführung und geistiges Eigentum (IP). Sie schafft Raum für radikale Innovationen – allerdings unter der Voraussetzung hoher finanzieller und personeller Ressourcenverfügbarkeit und eines konsequent abgeschirmten Entwicklungsprozesses. Quelle
Wann passt welcher Ansatz?

Open und Closed Innovation sind keine Gegensätze, sondern strategische Optionen. Welche davon sinnvoll ist, hängt stark vom jeweiligen Kontext ab – etwa von der Branche, dem Innovationsziel, dem Zeithorizont oder der Offenheit des Unternehmens für Kooperationen.
Damit diese Entscheidung nicht rein intuitiv getroffen werden muss, hilft ein strukturierter Blick auf die Rahmenbedingungen. Fragen wie in dieser Abbildung helfen einzusortieren von welcher Seite die Strategie gedacht werden sollte.
Ziel sollte es immer sein die Vorteile beider Lösungen zu nutzen.
Die Kunst liegt also zum Beispiel darin, sowohl die Innovationsgeschwindigkeit aus dem offenen Austausch, als auch von der internen Geheimhaltung zu profitieren. Wir von OriginStamp empfehlen immer (ausser in seltenen Fällen) eine Hybridform der beiden Ansätze. Wie aber schafft man das?
So geheim aber schnell wie möglich: Der Hybrid aus beiden Ansätzen
Ein solcher Hybrid sollte stets aus der Perspektive der Closed Innovation entwickelt werden. So lässt sich sicherstellen, dass nicht nach der Entwicklung ungeklärte Fragen bezüglich Patentrechten und Anteilen auftauchen. Ab diesem ersten Start sollte aber alles ganz unter dem Bild Open Innovation stehen, da die Vorteile dieser Entwicklungsmethode klar überwiegen.
Wichtig ist hier eine Budgetgrenze mit der man alle outgesourcten Prozesse überwachen und deckeln kann, bevor man Innovation betreibt die sich wirtschaftlich nicht lohnt.
Ganz im Sinne von Henry Chesbrough, dem Begründer des Open-Innovation-Konzepts, der betont:
„Not all the smart people work for you.“
– Henry Chesbrough, Open Innovation: The New Imperative for Creating and Profiting from Technology(2003)
Dieses Zitat verdeutlicht: Der wahre Wettbewerbsvorteil liegt nicht in der vollständigen Kontrolle, sondern im gezielten Öffnen nach aussen – und gleichzeitig im bewussten Schützen dessen, was kritisch ist.
Wie also vorgehen?
1. Projektdefinition und inhaltliche Abgrenzung
Zunächst muss das Innovationsvorhaben genau eingegrenzt werden:
Welche technologischen, funktionalen und marktbezogenen Bereiche deckt das Projekt ab? Welche Ergebnisse sind angestrebt – inkrementelle Verbesserung, radikale Neuentwicklung oder explorative Forschung? Auf dieser Basis wird der Umfang der erforderlichen Kompetenzen und Ressourcen ermittelt.
Tools & Methoden:
Miro oder Whimsical: zur Visualisierung von Innovationsfeldern
Business Model Canvas oder Lean Canvas: zur strategischen Einordnung
Notion oder Confluence: zur strukturierten Projektdokumentation
Hinweis: Bereits hier sollte die IT-Sicherheit (z. B. Datenklassifikation, Zugriffsschutz) berücksichtigt werden.
2. Ressourcen-Check: intern vs. extern
In einem zweiten Schritt erfolgt die interne Analyse:
1. Sind alle erforderlichen Ressourcen intern verfügbar (z. B. Fachpersonal, Labore, Daten, Infrastruktur)?
2. Können die benötigten Teile mit internem Know-how unter Kontrolle gehalten werden?
Falls die Antwort „ja“ lautet, kann das Projekt vollständig firmenintern umgesetzt werden. Unternehmen mit hoher Kapital- und Kompetenzdichte – etwa Apple oder Google – bevorzugen diesen Weg, um maximale Kontrolle über geistiges Eigentum zu behalten und externe Abhängigkeiten zu vermeiden.
Tools:
Skill-Matrix-Tools (z. B. TeamRetro, Mural): zur Analyse vorhandener Fähigkeiten
Airtable oder Asana: zur Zuordnung von Aufgaben an interne oder externe Ressourcen
HR-Software (z. B. Personio): zur Kapazitätsplanung
Rechtlicher Hinweis: Sobald projektkritische Kompetenzen fehlen, ist die spätere externe Zusammenarbeit voraussichtlich nicht mehr rein optional, sondern muss planvoll strukturiert werden – vor allem in regulierten Branchen.
3. Klassifizierung externer Bedarfe
In den meisten Fällen zeigt sich jedoch ein externer Bedarf. Dieser sollte differenziert werden:
1. Was kann intern entwickelt werden, benötigt aber punktuelle Zuarbeit?
2. Was kann mit Unterstützung entstehen – etwa durch Co-Creation mit Start-ups, Universitäten oder Lieferanten?
3. Welche Komponenten müssen vollständig ausgelagert werden (z. B. spezialisiertes Engineering, Deep-Tech, Simulationen)?
Diese Aufteilung schafft die Grundlage für die strategische Partnerwahl und Vertragsgestaltung.
Tools:
Jira Service Management oder ClickUp: zur Verwaltung externer Aufgabenpakete
Slack Connect oder Microsoft Teams Guest Access: für strukturierte Kommunikation mit externen Partnern
4. Rechtliche und organisatorische Absicherung
Bevor externe Akteure eingebunden werden, müssen rechtlich belastbare Strukturen geschaffen werden. Kritische Vertragsformen in hybriden Innovationsprojekten sind:
IP-Assignment Agreements (Abtretung von geistigem Eigentum)
Non-Disclosure Agreements (NDAs) mit spezifischem Geltungsbereich
Vergütungsmodelle mit eindeutiger Abgrenzung: stundenbasierte Leistungen vs. erfolgsabhängige Beteiligung
Laut der Studie „Open Innovation and Intellectual Property Management“ (EPO, 2021) führten unklare IP-Regelungen in über 30 % der untersuchten Fälle zu Konflikten oder Verzögerungen.
Tools:
DocuSign oder Contractbook: für digitale Vertragserstellung und -unterzeichnung
Legito oder ClauseBase: zur Generierung juristisch sauberer Vorlagen
Wichtiger Schwellenwert: Bei Auftragswerten über 50.000 € oder bei Entwicklungen mit Patentpotenzial wird empfohlen, eine notarielle Beglaubigung oder anwaltlich geprüfte IP-Absicherung vorzunehmen – insbesondere bei internationalen Partnerschaften.
5. Budgetierung und wirtschaftliche Kontrolle
Gerade bei vollständig outgesourcten Modulen ist eine wirtschaftliche Steuerung zentral. Hier empfiehlt sich:
1. ein fester Kostenrahmen mit klar definierten Leistungsphasen
2. die Arbeit mit Meilensteinverträgen oder Festpreisverträgen mit Change-Request-Klauseln
Ohne exakte Budgetdefinition verliert das Projekt schnell den wirtschaftlichen Rahmen – ein häufiger Grund für Abbrüche, insbesondere in mittelständischen Unternehmen mit begrenztem Innovationsbudget.
Tools:
Excel mit Forecast-Modell oder Finos: zur Budgetkalkulation
Xentral oder Odoo: für projektbezogene Finanz- und Vertragsverwaltung
Timeular oder Clockify: zur Zeiterfassung und Aufwandskontrolle
Tipp: Für externe Entwicklungsleistungen empfiehlt sich eine Mischform aus Fixpreis + Change Requests. Beispiel: 80 % Festpreis, 20 % flexibel gegen Freigabe durch das interne Steering-Komitee.
6. Governance in der Kooperation
Die risikointensivste, aber auch wertvollste Phase ist die Zusammenarbeit auf Augenhöhe. In dieser Phase entstehen oft gemeinsame Neuschöpfungen. Hier müssen folgende Fragen geklärt und vertraglich fixiert werden:
1. Wer ist rechtlicher Inhaber der Innovation?
2. Wer gilt als Miturheber – mit allen rechtlichen Folgen (Lizenz, Gewinnanteile, Patentberechtigung)?
3. Was passiert bei Ausstieg eines Partners?
Ein rechtlich abgesicherter Innovationsprozess verhindert spätere IP-Streitigkeiten oder Blockadesituationen bei der Markteinführung.
Tools:
ContractHero oder Legalsign: für revisionssichere Ablage
PandaDoc: zur Vorlageverwaltung für Kooperationsverträge
Juro (mit API-Anbindung): für skalierbares Vertragsmanagement
Gefahrenhinweis: Laut EUIPO (2023) ist mangelhafte Governance die Hauptursache für Rechtsstreitigkeiten in Open-Innovation-Partnerschaften mit KMU – vor allem bei fehlender Unterscheidung zwischen Auftragnehmer und Co-Innovator.
7. Dokumentation und Wissenstransfer
Abschliessend muss der gesamte Innovationsprozess dokumentiert werden – sowohl intern als auch in Bezug auf externe Partner:
1. Welche Entscheidungen wurden wann getroffen?
2. Wer hat welche Beiträge geleistet?
3. Welche Rechte wurden übertragen oder gemeinsam gehalten?
Diese strukturierte Dokumentation schützt nicht nur vor rechtlichen Auseinandersetzungen, sondern hilft auch, internes Innovationswissen langfristig zu sichern.
Tools:
Notion oder Confluence: als zentrales internes Innovations-Wiki
Jira oder ClickUp: zur lückenlosen Aufgaben- und Entscheidungsdokumentation
IPwe oder PatSnap: für Patent- und IP-Tracking (z. B. Anmeldung, Lizenzen, Ablaufdaten)
Tipp: Eine gute Praxis ist ein monatlicher IP-Review durch Legal + Projektleitung, insbesondere bei Kooperationsprojekten mit potenzieller Patentierbarkeit.
Schützen Sie sich frühzeitig vor späteren Anspruchserhebungen – nutzen Sie diese Impuls- und Fragenübersicht, um Ihre Innovationsstrategie gezielt zu reflektieren und zukunftssicher aufzustellen.
